Ein Hauch Kinderfest in Leipheim

Leipheimer Kinder teilen ihre Erinnerungen ans Kinderfest

Bereits zum zweiten Mal wurde in diesem Jahr das Kinderfest abgesagt – vor allem für die Kinder eine große Enttäuschung. Deswegen stehen sie auch am Kinderfest-Sonntag im Mittelpunkt einer kurzfristig erstellten Ausstellung im Heimat- und Bauernkriegsmuseum Blaue Ente in Leipheim. Ihre Zeichnungen werden das ganze Museum prägen, das in den nächsten Wochen zur Heimat der Erinnerung an viele vergangene Kinderfeste wird.

Bild: Stadt Leipheim

Für die Leipheimer – aber auch viele Menschen aus der Umgebung – bedeutet die Absage des Kinderfests den Verzicht auf eines ihrer liebsten Feste. Kein Umzug, keine Spiele und kein gemütliches Zusammensein am schönsten Festplatz, den die Gegend zu bieten hat. Auch wenn glücklicherweise das Leben in vielen Bereichen wieder etwas mehr an Normalität gewinnt und nicht mehr ganz so stark von der Corona-Pandemie geprägt ist, ist doch weiterhin an Großveranstaltungen nicht zu denken.

Dennoch wird es am zweiten Juliwochenende einen Hauch von Kinderfest in der Güssenstadt geben. So wird die Blaue Ente am eigentlichen Kinderfest-Sonntag, den 11. Juli, das erste Mal nach Monaten wieder seine Tore öffnen. Eigentlich würden an diesem Tag, wie seit 204 Jahren, die Schulkinder auf den Festplatz ziehen, um dort das Kinderfest zu feiern. Für alle Leipheimer – ob Kinder oder Erwachsene – ist die erneute Absage sicher traurig. Deshalb wurden die Grundschüler gebeten, „ihr” Kinderfest zu malen: ihren Lieblingsort, ihr Lieblingsessen, ihren Lieblingstanz oder ihre Hommage an die Geschichte des Fests.

Bild: Stadt Leipheim

Die Geschichte des Festes wird in der Ausstellung außerdem durch über 500 Bilder aus 200 Jahren sichtbar gemacht. Und erstmals seit dem Jubiläum 2017 wird auch das Diorama des Albers, um den bis 1894 getanzt wurde, ausgestellt – genauso wie der „Hungertaler“ aus 1817, die Kinderfest-Standarte oder die Kinderfest-Medaillen, die normalerweise von den Spruchträgern getragen werden.

Bild: Stadt Leipheim

Zu sehen ist die Ausstellung ab Sonntag, den 11. Juli von 14 bis 17 Uhr – danach ist sie über die Sommermonate jeden Sonntag zu sehen.

Und auch einige Kinderfest-Wirte haben sich etwas einfallen lassen. So wird es beim Hotel zur Post am Kinderfest-Wochenende wieder ein „Kinderfest to go” im und um das Gasthaus mit Spezialitäten vom Metzgerstand geben: Feuerwurst und Leberkäs, Pulled Pork und Schwäbische Sparerips stehen auf der Speisekarte. Außerdem gibt es selbst gemachte Schokofrüchte-Spieße. Am Kinderfest-Sonntag spielt außerdem die Stadtkapelle zwischen 18 und 19 Uhr auf und verbreitet Fest-Stimmung. Ebenfalls wird der Traditionsfestwirt Hirschbräu ein Kinderfest-Special bereithalten – To Go gibt es hier das Paket Schweinshaxe mit Knödel und einer Flasche Bier. In Riedheim öffnet das Schützenheim am Kinderfestsamstag, 10. Juli, ab 14 Uhr seinen Biergarten. Neben Kaffee, Kuchen und einer kleinen Karte ist auch von 14 bis 17 Uhr ein kleines Kinderprogramm geplant. So kommen sogar die kleinen Festfans auf ihre Kosten.

Für alle Leipheimer und Kinderfest-Freunde bietet die Stadt außerdem auf ihrer Internetseite www.leipheim.de und der Facebook-Seite Material für das eigene kleine und private Kinderfest an.

Notenblätter vom Schnitterreigen-Lied, die Texte zu traditionellen Kinderfest-Liedern und viele Bilder aus vergangenen Jahren und Jahrzehnten sind wieder abrufbar.

Bilder: Stadt Leipheim

Hintergrund-Information zum Kinderfest:

Das Kinderfest im Schnelldurchlauf:

Als „Strafe der Götter“ bezeichneten die Einwohner Indonesiens den Ausbruch des Vulkan Tambora. Vom 5. bis 10. April 1815 spie er Feuer, bis zu 1300 Kilometer weit fiel Asche vom Himmel. Noch wochenlang blieb er aktiv. Obwohl tausende Kilometer entfernt, sollte der Ausbruch ein Jahr später eine Katastrophe auslösen. Ende 1815 blickten die Menschen in Europa zuversichtlich ins nächste Jahr. Eine Epoche von Kriegen war vorbei, man erwartete den lang ersehnten Aufschwung. Für die Bauern begann das Jahr mit milden Temperaturen – bis der Ausbruch des Tambora doch noch Folgen zeigte. Ein „Jahr ohne Sommer“ oder wie es im Volksmund bezeichnet wurde „Achtzehnhundertunderfroren“ setzte ein. Nachdem bereits die Ernten in 1814 und 1815 geringer als üblich ausgefallen waren, war das Wetter in 1816 so schlecht, dass erst spät ausgesät werden konnte. Danach folgte Kälte und andauernder Regen, Anfang Oktober schneite es bereits – die Ernte war so gut wie verloren. Nicht nur die Erntefrüchte fehlten, auch das Vieh verendete und die Arbeitskraft vieler Einwohner wurde nicht mehr benötigt. Das (Über-)Leben wurde für viele Menschen unerschwinglich.

Als im Jahr 1817 endlich wieder ausreichend Ernte eingefahren werden konnte, etablierte sich ein neuer Brauch. Anstatt nur am Ende der Erntezeit ein Dankesfest zu feiern, wurde die Ankunft der ersten Erntewagen jubelnd begrüßt. So auch in Leipheim. Das Kinderfest war geboren.

Immer wieder musste das Kinderfest – meist kriegsbedingt – ausfallen. So gab es zwischen 1940 und 1948 kein Kinderfest – umso größer die Freude bei allen, die 1949 das erste Nachkriegskinderfest feiern konnten. Fünfzig Pfennige erhielt jedes Schulkind damals von der Stadt und es gab für alle Kinder zusätzliche Lebensmittelrationen. Die Erwachsenen wurden aber ebenso gelockt, man versprach „schöne und billige Festfreuden“.

Und auch heute sind immer noch die Kinder die Hauptakteure des Leipheimer Kinderfests, das 2021 zum zweiten Mal in Folge auf Grund der Corona-Pandemie ausfällt. Bereits Monate vorher studieren die etwa 450 Schulkinder verschiedene Tänze ein, in diesem Jahr werden sie die Besucher durch 200 Jahre Kinderfest führen. Den älteren Jahrgängen der Leipheimer Schulen ist der traditionelle Schnitterreigen vorbehalten. In einer einfachen schwäbischen Tracht bieten die Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse diesen Schreittanz dar. Der Schnitterreigen, der sowohl am Fest- Sonntag als auch -Montag aufgeführt wird zählt zu den Höhepunkten des Festes, das von der Vereinigung historischer Volksfeste in Baden-Württemberg und Bayern anerkannt wurde.

Im Jahr 2020 folgte außerdem die Aufnahme des Kinderfests in das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes.

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