Die neue FONA in Günzburg ist in Betrieb und soll nun mit Leben erfüllt werden

Neue Forensische Nachsorgeambulanz am Standort Günzburg ist fertig

Wegen Corona keine Einweihung der FONA: Die neue Forensische Nachsorgeambulanz am Standort Günzburg ist fertig und hat – wegen der außergewöhnlichen Umstände – relativ still und unbemerkt von der Öffentlichkeit ihren Betrieb aufgenommen. Eigentlich sollte der Neubau, der 1,4 Millionen Euro gekostet hat, schon im Sommer 2019 bezogen werden. Doch wegen der boomenden Konjunktur und des Mangels an Baufirmen kam es zu einer zeitlichen Verzögerung. „In der ersten März-Woche 2020 sind wir umgezogen – noch vor der ersten Allgemeinverfügung“, berichtet der zuständige Oberarzt Dr. Dieter Hagmayer. Dann kam das Coronavirus mit voller Wucht, der Katastrophenfall wurde ausgerufen, es folgte der Lockdown. An eine Einweihungsfeier mit vielen geladenen Gästen und freudigem Beisammensein war nicht mehr zu denken.

Das eingeschossige Fachdach-Gebäude wurde in einer Holzständer-Stahlbeton-Kombination errichtet. Noch gibt es Restarbeiten im Außenbereich
Bild: Schalk

Für die Inbetriebnahme spielte das keine Rolle. Seit mehreren Monaten unterstützt die Forensische Nachsorgeambulanz nun in neuer Umgebung Forensik-Patienten beim Übergang von ihrer Entlassung aus dem Maßregelvollzug zur möglichst vollständigen Wiedereingliederung in die Gesellschaft. „Dieser Übergang ist gesetzlich verankert. Für jeden aus dem Maßregelvollzug Entlassenen tritt automatisch eine Führungsaufsicht ein“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Manuela Dudeck, Lehrstuhlinhaberin an der Universität Ulm und Ärztliche Direktorin der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie des Bezirkskrankenhauses (BKH) Günzburg. Dazu erlässt die zuständige Strafvollstreckungskammer entsprechende Weisungen. So bietet die FONA einerseits Hilfe bei Bewerbungen, der Wohnungssuche oder bei allen anderen sozialen Problemen an. Andererseits hat sie aber auch Kontrollfunktion: Die psychisch kranken oder suchtkranken Patienten – insgesamt sind es um die 70 – müssen sich regelmäßig Alkohol- und Drogenkontrollen unterziehen. Blutuntersuchungen finden statt, um zum Beispiel die Medikamentenspiegel zu bestimmen. „Im Schnitt bleiben die Patienten zwei bis fünf Jahre unter der Obhut unserer FONA“, sagt Prof. Dudeck.

Die Ärztliche Direktorin ist sehr froh, dass die Zeiten, in denen die Ambulanz „in sehr unzulänglichen, baufälligen Räumen“ im Haus 56 untergebracht war, vorbei sind. „Wir brauchen mehr Leben. Jetzt ist endlich mehr Platz da“, sagt sie. Dr. Hagmayer, der die Forensische Nachsorgeambulanz in Günzburg seit 2015 leitet, zählt die Räume auf, die im Neubau geschaffen wurden: sieben Therapie- und zwei Behandlungszimmer, zwei Konferenzräume, eine große Behindertentoilette, ein Archiv für Patientenakten, ein Technikraum mit Heizungsanlage für die Fußbodenheizung im Gebäude, Elektrik, IT und zentraler Brandmeldeanlage. Herzstück ist das Atrium, ein heller, lichtdurchfluteter Innenhof, um den herum alle Gänge und Zimmer angeordnet sind.

Der Zugangsbereich im Inneren vor dem Atrium ist hell und freundlich.  
Bild: Schalk

Durchschnittlich bleiben Patienten, die nach Paragraf 64 des Strafgesetzbuches (StGB) in die Günzburger Maßregelvollzugsklinik eingewiesen wurden, zwei Jahre dort. Sie wurden in eine Entziehungsanstalt eingewiesen, weil sie wegen einer Suchtkrankheit straffällig geworden sind oder während der Tat unter Alkohol- oder Drogeneinfluss standen. Der Paragraph 63 StGB bestimmt, dass psychisch kranke und/oder intelligenzgeminderte Straftäter in die Klinik eingewiesen werden. Ihre Unterbringung ist zunächst auf sechs Jahre befristet und richtet sich nach den Behandlungserfolgen des jeweiligen Patienten. „Im Schnitt sind diese Menschen vier bis sechs Jahre bei uns in der Klinik“, berichtet Prof. Dudeck. So ist zu verstehen, warum es notwendig ist, jemanden „an die Hand zu nehmen“, der nach so langer Zeit zurück in die Gesellschaft kommen soll. Fehlte diese Unterstützung und gäbe es nur eine „abrupte Entlassung“, würde er es wohl nicht schaffen und rückfällig werden. Diese Hilfe beginnt bei der Suche nach einer Wohnung, reicht über Beratung bei einer Antragsstellung, Begleitung bei Behördengängen und erstreckt sich bis zur Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt.

In der FONA Günzburg arbeiten Ärzte, (Fach-) Pflegekräfte, Sozialpädagogen, Psychologen sowie eine medizinische Fachangestellte. „Etwa 60 Prozent unserer Arbeit findet bislang aufsuchend statt“, berichtet Dr. Hagmayer. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in Schwaben in einem Gebiet unterwegs, das sich in etwa von Nördlingen bis Memmingen und von Neu-Ulm bis Dasing erstreckt. Wie sieht die Wohnung des Patienten aus? Wie geht es an seinem Arbeitsplatz? Diesen Fragen gehen sie nach und schauen sich vor Ort bei den Betroffenen um „Wenn ein FONA-Patient nicht will, dass man ihn an seiner Arbeitsstelle besucht, dann richten wir uns danach“, ergänzt Prof. Dudeck. Die meisten erfolgreichen Jobvermittlungen kommen über Zeitarbeitsfirmen zustande.

Nach dem Wunsch der Ärztlichen Direktorin und des Einrichtungsleiters sollen die neuen Räume der FONA mit Leben erfüllt werden. Das Coronavirus, dem man mit Abstandsregeln, Distanz und möglichst wenig persönlichen Kontakte begegnete, stand dieser Idee entgegen. „Wir haben die Patienten angeschrieben, welche Angebote sie sich von uns wünschen“, so Prof. Dudeck. Die neue Einrichtung möchte nun – sobald dies möglich ist – beispielsweise Angehörigengruppen, Sozialsprechstunden, Sport- und Ergotherapie sowie Ohrakupunktur anbieten. All dies soll eine möglichst gute Re-Integration der Patienten in die Gesellschaft befördern. Ein Neubau ist das eine, ihn mit Leben zu erfüllen und ein gutes Konzept für die weiteren Schritte zu haben, das andere.  

Übrigens: Haus 56 wird kommenden Winter abgerissen und weicht dem Neubau eines Pflegeheimes für den Geschäftsbereich „Wohnen und Fördern“.

Bildunterschrift: Am Eingangsbereich der neuen FONA (Haus 84): (von links) Prof. Dr. Manuela Dudeck, Ärztliche Direktorin der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Mitarbeiterin Natascha Becker und Einrichtungsleiter Dr. Dieter Hagmayer.

Bilder: Schalk

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