„In Ursberg ist für mich ein Märchen wahr geworden“

25 Jahre Stiftung Dominikus-Ringeisen-Werk: Sr. Lucia Tremel ist schon ihr ganzes Leben mit Dominikus Ringeisen verbunden. Jetzt hat sie ein illustriertes Büchlein über sein Lebenswerk herausgebracht und viele Parallelen zum eigenen Leben gefunden.

Sr. Lucia Tremel war schon ihr ganzes Leben mit dem Werk von Dominikus Ringeisen verbunden – tiefer, als sie zunächst ahnen konnte. Drei Generationen von Ordensschwestern kommen aus dem 150-Seelen-Juradorf Arnstein in der fränkisch-katholischen Diaspora, in dem sie aufwuchs. Darunter ihre Tante, deren Cousinen und Großtante. Sie alle zog es früher oder später nach Mittelschwaben, in das Dorf Ursberg, in dem der Priester Dominikus Ringeisen (1835-1904) etwas aufgebaut hatte, an dem die Frauen teilhaben wollten. Wie er wollten sie ihr Leben ganz in den Dienst einer großen Sache stellen. Dass so viele junge Frauen aus dem kleinen Ort kamen, rühre wohl von den hauswirtschaftlichen Kursen der Ursberger Schwestern, die damals angeboten wurden, erzählt Sr. Lucia. Viele Teilnehmerinnen seien bei der St. Josefskongregation hängen geblieben. Ihre Eltern hatten sogar ihre Hochzeitsreise nach Ursberg unternommen, denn ihr Vater wollte seiner Braut seine eingetretene Schwester vorstellen, die – wie damals üblich – nicht heimfahren durfte.

Über Umwege ins Kloster

Von einem Dorf ins andere. Und trotzdem: Für Hedwig Tremel, wie die heutige Sr. Lucia damals hieß, war es Anfang der 1970 Jahre eine völlig neue Welt, eine Horizonterweiterung. Als Kind war sie aufgrund eines schweren Hüftleidens sehr behütet aufgewachsen – und oft genug auch etwas genervt von der fürsorglichen Kontrolle von Eltern und Geschwistern. Jedenfalls war an Spielen und Herumtollen nicht zu denken. Eine Erfahrung, die sich ihr tief eingeprägt hat: Ihr ganz persönliches Handicap, das sie ein Leben lang begleiten sollte. Nach ihrer Ausbildung als Hauswirtschaftsgehilfin und Kinderpflegerin hoffte sie nun, in Ursberg ihr Auskommen im Orden zu finden wie so viele vor ihr.

Denn sie wurde abgelehnt. Mit 16 Jahren sei sie zu jung für eine Kandidatur für die Schwesterngemeinschaft, wurde ihr mitgeteilt. Der Traum zerplatzt. Warten, abgewiesen werden: Auch Ringeisens Pläne erfüllten sich lange Zeit nicht. Er blieb über Jahrzehnte Suchender seiner Bestimmung, war durch seine körperliche Konstitution gehandicapt und bekam eine Abfuhr von Offiziellen der Kirche. Dann waren neue Wege – anscheinend Umwege –  zu nehmen: für Ringeisen und Hedwig Tremel. In der damals von den Schwestern neu gegründeten Fachschule für Heilerziehungspflege absolvierte die junge Frau zunächst eine dreijährige Ausbildung, die sie für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung qualifizierte. Eine Zwischenzeit, die sie nutzte, um sich viele Gedanken um die Zukunft zu machen und über den eigenen Tellerrand hinauszublicken: Vielleicht doch heiraten? Welche anderen christlichen Glaubensrichtungen gibt es? „Eine ganz wichtige Zeit für mich“, sagt sie rückblickend. Und doch kommt sie nicht mehr los von der Vorstellung eines Lebens als Ordensfrau.

Ein „Märchen“ wird wahr

Mit 21 Jahren schließlich bewirbt sie sich erneut, wird angenommen und geht ins Postulat. Ein weiteres Jahr später, 1977, beginnt ihr Noviziat, die „Erste Profess“, das zeitliche Gelübde, folgt 1979, die „Ewige Profess“ 1982. Sr. M. Lucia, wie sie nun offiziell heißt, übernimmt die Gruppenleitung einer Wohngruppe für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung, ab 1995 bis 2019 den Religionspädagogischen Fachdienst der Einrichtung St. Angelina in Ursberg. Zudem leitete sie das Gästehaus der Kongregation, das Haus Emmaus von 1988 bis 2019, ein Haus „für alle Fälle“, für junge Frauen, die sich für das Ordensleben interessieren, für Gäste und Praktikanten in Ursberger Einrichtungen. 2020 schließlich wird sie zur Konvent-Oberin im Mutterhaus Ursberg ernannt. „In Ursberg ist für mich ein Märchen wahr geworden“, sagt die 65-Jährige heute und lächelt einmal mehr ihr einnehmendes Lächeln. „Hier habe ich meine Lebensform entdeckt, ganz da zu sein für Menschen mit Behinderung.“ Vielleicht hätte das Dominikus Ringeisen ähnlich ausgedrückt, als er endlich am Ziel seiner Bestimmung angekommen war.

Erinnerung an Ringeisen wachhalten

Sr. Lucia wurde Zeugin der Zeitenwende, die sich schon in den 1970er anbahnte. Damals, als immer mehr „weltliche“ Mitarbeitende die Schwestern unterstützten, weil deren Anzahl immer weiter abnahm. Immer wichtiger wurde ihr und ihren Mitschwestern deshalb, die Entstehungsgeschichte des Dominikus-Ringeisen-Werks für die neuen Generationen wach zu halten. Erst recht, nachdem 1996, vor 25 Jahren, die kirchliche Stiftung gegründet wurde, die die Kongregation von ihrer direkten Verantwortung für das Werk entband. Wie kann man heute erklären, wer Ringeisen war und welche Leistung er gemeinsam mit den Schwestern erbracht hat? Warum sollte er überhaupt noch jemanden interessieren? „Ich möchte Ringeisen abstauben“, sagt Sr. Lucia lakonisch.

Vielleicht gelingt dieses „Abstauben“ besonders gut jemandem, der sich ganz hineinzuversetzen vermag in den Gründer eines der größten Sozialwerke Süddeutschlands, in den Christenmenschen Ringeisen. Sr. Lucia bewundert seine Haltung, seine Hingabe und sein Gottvertrauen gerade in sehr herausfordernden, aufreibenden und schwierigen Situationen. „Ringeisen hat Gottes Willen konsequent umgesetzt und sich eingesetzt und Gottes Führung vertraut. Wenn man Gottes Willen im eigenen Leben erkennt und ihn befolgt, spürt man innere Freiheit“, berichtet Sr. Lucia, und jetzt beginnen auch ihre Augen zu lachen aus ihren kleinen ovalen Brillengläsern.

Ist Ringeisens Werk vollendet?

Hinter ihrem Büchlein, das sie eigentlich schon zum 20-jährigen Stiftungsjubiläum herausgeben wollte, steht aber noch eine andere Frage: Ist Ringeisens Werk vollendet? Sind wir schon so weit, dass Menschen mit Behinderung sich frei, ohne Barrieren und Einschränkungen selbstverständlich leben können in unserer Gesellschaft? Und genauso, wie sie kurz zuvor noch gestrahlt hat wird Sr. Lucia nun ehrlich traurig, als sie davon erzählt, dass sie trotz ihres elektrischen Vierradrollers, auf den sie wegen ihrer Beeinträchtigung angewiesen ist, oft nur sehr schwierig über zu hohe Bordsteine und unebene Straßen kommt. Und das, obwohl sie schon so oft mit den Behörden über diese neuralgischen Stellen gesprochen hat. Es scheint, Sr. Lucia fühlt Trauer und auch Ärger für die vielen mit, die darunter leiden, für die scheinbar kleine Unebenheiten im Leben große Auswirkungen haben können.

Das Büchlein „Dominik, Josefa und ihre Tochter“, das sie zusammen mit dem Grafiker und Illustrator Werner Bisle geschaffen hat, beschreibt Gründung und Fortgang des Dominikus-Ringeisen-Werks in einfacher Sprache und in vielen Bildern. „Es soll ein Buch für die ganze Ringeisen-Familie sein, um sein Anliegen wach zu halten“, wünscht sich Sr. Lucia und lächelt ihr einzigartiges Lächeln.

Information:

Das Büchlein „Dominik, Josefa und ihre Tochter“ von Sr. M. Lucia Tremel CSJ mit Illustrationen von Werner Bisle ist für 8,95 € erhältlich im Ursberger Laden, an der Info-Z des Ursberger Mutterhauses und in der Lesehexe Thannhausen.

Zum Bild (Manuel Liesenfeld/DRW): „Dominik, Josefa und seine Tochter“: Die Geschichte des Dominikus-Ringeisen-Werks ist mit dem Lebensweg von Sr. Lucia Tremel eng verbunden.

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