Leipheimer Kinderfest abgesagt

Erstmals seit 1955 findet das Leipheimer Kinderfest nicht statt

Auf Grund der gesetzlichen Vorgaben muss das diesjährige 203. Leipheimer Kinderfest abgesagt werden. Das wurde nun gestern auch offiziell in der Stadtratssitzung verkündet. Der Corona-Virus verhindert das Kinderfest – und es gibt eine erschreckende Parallele in der 200-jährigen Geschichte des Fests.

Bereits in der Sitzung des Stadtrats im April war das Kinderfest und eine mögliche Absage Thema gewesen – damals hatte man die Entscheidung vertagt. Inzwischen ist es gesetzlich bis zum 31. August 2020 nicht erlaubt, Großveranstaltungen durchzuführen. Der Leipheimer Stadtrat konnte das nur zur Kenntnis nehmen, eine Entscheidung über die Durchführung war dadurch nicht mehr notwendig.

Die Leipheimer haben in den mehr als 200 Jahren seit 1817 Erfahrung mit Absagen, Epidemien (wie z.B. Scharlach) und jetzt auch einer Pandemie. Wurde das Kinderfest in der Vergangenheit meist wegen verschiedener Kriege abgesagt, musste die Stadt vor genau 65 Jahren bereits einmal wegen eines Virus auf das Feiern verzichten.

Alles war im Jahr 1955 vorbereitet. Die Verträge waren geschlossen, der Rummelplatz wäre mit wunderschönen Fahrgeschäften bestückt und das Bier der ansässigen Brauereien wartete auf die Auslieferung, als der Stadtrat am 2. Juli 1955 und damit nur wenige Tage vor dem geplanten Kinderfest beschloss: „Infolge der im Stadtgebiet ausgebrochenen übertragbaren Kinderlähmung beschließt der Stadtrat auf Anraten des Gesundheitsamtes, das auf den 10. und 11.7. d. J. festgesetzte Kinderfest an diesen Tagen nicht abzuhalten und es auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.“

Das Kinderfest feiert das Überleben einer Katastrophe – hier wird von den Kindern der Vulkanausbruch im Jahr 1815 dargestellt. Die durch ihn verursachte Hungersnot und deren Überwindung sind der Anfang des Leipheimer Kinderfests.
Fotografin: Dorow, Stadt Leipheim

Zu einer Verschiebung kam es nicht, da die Kinderlähmung das Leben in der Stadt bis in den Herbst hinein beeinträchtigte. Am 1. Juli wurde bereits die Schule geschlossen. Erst Anfang Oktober konnten die Kinder erstmals wieder in ihren Klassen sitzen. Grund dafür war, dass zwischen dem 28. Juni und 4. Juli 1955 bereits fünf Kinder infiziert waren, zwei verstarben. Die Schule wurde verschlossen und gereinigt, die Bücher desinfiziert, Schulhefte sogar verbrannt. Auch die übrigen Stadtbewohner waren unmittelbar von den Maßnahmen betroffen: Das Baden in der Donau oder Nau war verboten, Wochenmärkte und Feste wurden abgesagt, der Vertrieb von in Leipheim hergestellten Lebensmitteln in anderen Gemeinden untersagt. Kinder und Jugendliche durften weder Kinovorstellungen noch Gottesdienste besuchen. Noch im Jahr 1955 wurde ein erster Impfstoff entwickelt, der sich aber als wenig wirksam herausstellte. 1961 gelang der Durchbruch, ein wirksamer Impfstoff stand endlich zur Verfügung. Ab diesem Jahr wurde auch in Deutschland die Schluckimpfung eingeführt.

Tanzeinlage der Schüler der Grund- und Mittelschule Leipheim im Jahr 2017
Fotografin: Dorow, Stadt Leipheim

2020 warten die Leipheimer ebenso wie ihre Vorfahren im Jahr 1955 auf die erlösende Nachricht der Eindämmung der Pandemie und die Entwicklung eines Impfstoffes. Denn dann können die Leipheimer ihr Kinderfest im Jahr 2021 feiern und vor allem auch die kürzlich bekannt gewordene Aufnahme in das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes. Und das Kinderfest wird dann ein Zeichen des Wiederaufstehens sein nach der Pandemie, die seit Monaten die Welt in Atem hält.

Bildunterschrift: Vom ersten Kinderfest 1956 nach der Absage gibt es keine Bilder. Dieses aus dem Jahr 1957 zeigt den Umzug zum Festplatz

Fotograf: L. Egger, Blaue Ente Archiv

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